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Kein visumfreier Ehegattennachzug bei Heirat im Ausland mit Besuchsvisum

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 16.11.2010 und am 11.01.2011 in zwei Fällen über die Frage entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Ausländer, der mit einem Schengen-Visum zu Besuchszwecken eingereist ist und im Schengen-Raum (hier: Dänemark) die Ehe mit einem Deutschen geschlossen hat, eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 28 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erhalten kann, ohne vorher vom Ausland aus das hierfür an sich vorgesehene Visumverfahren durchgeführt zu haben.

Es urteilte dabei, dass es keinen visumfreien Ehegattennachzug gebe, wenn falsche Angaben beim Antrag auf das Besuchsvisum gemacht wurden bzw. wenn der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen durch Heirat im Ausland und damit schon vor der letzten Einreise nach Deutschland entstanden ist.

In der ersten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16. November 2010, Az. 1 C 17.09) ging es um den Fall einer Staatsangehörigen der Republik Weißrussland, die Anfang August 2007 mit einem Schengen-Visum zu Besuchszwecken nach Deutschland eingereist war. Nachdem sie Anfang September 2007 in Dänemark einen deutschen Staatsangehörigen geheiratet hatte, kehrte sie nach Deutschland zurück und beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Ehegattennachzugs. Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag ab und drohte der Klägerin die Abschiebung an, da sie ohne das für einen dauerhaften Aufenthalt erforderliche nationale Visum eingereist sei.  Die Klage dagegen hatte in erster Instanz Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat den Bescheid der Ausländerbehörde dagegen als rechtmäßig bestätigt.

Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis bestätigt. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin könne die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Ehegattennachzugs nicht aufgrund der Sonderregelung in der Aufenthaltsverordnung vom Inland aus beantragen. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthV nicht erfülle. Denn sie habe nach den Feststellungen im Berufungsurteil bei der Beantragung des Schengen-Visums angegeben, nur zu Besuchszwecken einreisen zu wollen, obwohl sie von vornherein dauerhaft in Deutschland bleiben wollte. Da sie über die Rechtsfolgen falscher Angaben belehrt worden sei, habe sie einen Ausweisungsgrund verwirklicht (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Damit stehe die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen im Ermessen der Behörde, so dass die Sonderregelung der Aufenthaltsverordnung nicht eingreife. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn diese solle nur diejenigen Ausländer begünstigen, die im Schengen-Visumverfahren zutreffende Angaben gemacht haben und bei denen sich erst aufgrund nach der Einreise eingetretener neuer Umstände der Aufenthaltszweck geändert habe. Andernfalls würde die bewusste Umgehung des nationalen Visumverfahrens folgenlos bleiben und dieses Verfahren als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung entwertet.

Aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen für ein Absehen von dem Visumerfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehle es auch an besonderen Umständen, die der Klägerin das vorübergehende Verlassen des Bundesgebiets und die Nachholung des Visumverfahrens vom Ausland aus unzumutbar machten.

Vorrangiges Unionsrecht stehe einer Verweisung auf das Visumverfahren ebenfalls nicht entgegen. Der deutsche Ehemann der Klägerin habe mit seiner Kurzreise zum Zweck der Heirat in Dänemark nicht nachhaltig von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht. Deshalb könnten die vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Grundsätze keine Anwendung finden, nach denen der Nachzug des Ehegatten bei Rückkehr des Unionsbürgers aus einem anderen EU-Mitgliedstaat in seinen Heimatstaat nicht von einem nationalen Visum abhängig gemacht werden darf.

Der zweiten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts am 11.01.2011 (Az. 1 C 23.09) lag der Fall eines russischen Staatsangehörigen zugrunde, der Ende Juli 2008 mit einem Schengen-Visum zu Besuchszwecken nach Deutschland eingereist war. Nachdem er Anfang August 2008 in Dänemark eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte, kehrte er umgehend nach Deutschland zurück und beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Ehegattennachzugs. Die Ausländerbehörde hatte auch hier den Antrag abgelehnt und die Abschiebung angedroht, da er ohne das für einen dauerhaften Aufenthalt erforderliche nationale Visum eingereist sei.

Das höchste deutsche Verwaltungsgericht führte hier aus, dass – im Unterschied zu dem am 16. November 2010 entschiedenen Fall – hier nicht mehr festgestellt werden könne, ob der Kläger bei Beantragung des Besuchsvisums über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt worden sei. Daher liege nicht bereits ein Ausweisungsgrund vor, der dem Begehren des Klägers entgegenstünde.

Dennoch könne der Kläger die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Ehegattennachzugs nicht aufgrund der Sondervorschrift des § 39 Nr. 3 AufenthV vom Inland aus beantragen. Der Anspruch auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis sei durch die Eheschließung in Dänemark, also vor der letzten Einreise nach Deutschland entstanden. Nach dem Willen des Gesetzgebers, der die Vorschrift im Jahr 2007 geändert hat, um unrichtige Angaben zum Aufenthaltszweck im Visumverfahren nicht länger zu honorieren, sei nicht auf die erste, sondern auf die letzte Einreise in das Bundesgebiet abzustellen. Denn die Vorschrift solle nur Ausländer begünstigen, bei denen sich der Aufenthaltszweck erst aufgrund nach der Einreise eingetretener neuer Umstände geändert hat. Die dabei auftretende visumrechtliche Ungleichbehandlung von Eheschließungen im In- und Ausland beruhe auf legitimen Gründen und sei daher sowohl verfassungs- als auch unionsrechtlich gerechtfertigt. Denn die Ehevoraussetzungen, die auch aufenthaltsrechtlich bedeutsam sind, würden vom deutschen Standesbeamten etwa im Vergleich zu der Rechtslage in Dänemark eingehender geprüft.

Auch hier seien keine besonderen Umstände erkennbar, die dem Kläger das vorübergehende Verlassen des Bundesgebiets und die Nachholung des Visumverfahrens vom Ausland aus unzumutbar erscheinen ließen.

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