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Jobcenter muss Mietkosten auch bei nur teilweiser Nutzung der Wohnung übernehmen

Ein Jobcenter hatte die Miete nicht weiter gezahlt, weil die Antragstellerin regelmäßig auch woanders übernachtete, da sie eine „lockere Beziehung mit getrennten Wohnungen“ führte. Das Jobcenter sah daher keinen Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil die Wohnung nicht (mehr) in erheblichem Umfang tatsächlich genutzt werde.

Nachdem der Vermieter den Mietvertrag über diese Wohnung wegen des Ausbleibens der Mietzahlungen fristlos gekündigt hatte, musste die Antragstellerin neben der Klage auch ein Eilverfahren gegen das Jobcenter einleiten.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 09.03.2012, L 10 AS 123/12 B ER) hat das Jobcenter dazu verpflichtet, die Miete im aktuellen Bewilligungszeitraum zu zahlen. Es führte in der Entscheidung u.a. aus:

„Die Leistungen für Unterkunft und Heizung sind eine Geldleistung zur Deckung des zur Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendigen Bedarfs, die als Bestandteil des soziokulturellen Minimums garantiert sind. Über den Schutz physischer Bedürfnisse („Schutz vor den Unbilden des Wetters“) hinaus umfasst die gesetzliche Gewährleistung einen Raum für Privatheit – einen persönlichen Lebensbereich (vgl Bundessozialgericht , Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 1/08 R, RdNr 13ff; BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 58/09 R, RdNr 28, dort: Wohnungslosigkeit entfällt nicht, wenn eine Unterbringung in einer Not- oder Obdachlosenunterkunft möglich ist,…). Das BVerfG formuliert, die Wohnung bilde die räumliche Sphäre, in der sich Privatleben entfalte und verbürge dem Einzelnen mit Blick auf die Menschenwürde sowie im Interesse der Entfaltung der Persönlichkeit einen elementaren Lebensraum (vgl BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93,…). Diese Begriffsbestimmung geht ersichtlich nicht vom Umfang der Nutzung einer Wohnung aus, die sicherlich nicht dauerhaft und vollständig entfallen darf, im Übrigen aber angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse kaum eine verlässliche und sachgemäße Begriffsbildung ermöglicht. Zwar ist es der Regelfall, dass eine Wohnung innegehalten und dauerhaft für alle Bedürfnisse genutzt wird, die das Wohnen ausmachen (etwa Schlafen, Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, Körperpflege, Aufbewahrung und Unterhalt der persönlichen Habe, Kontakt nach außen, Freizeitgestaltung). Es sind jedoch vielfältige Abweichungen bezüglich der Anwesenheitszeiten, des Nutzungsumfangs und der Abspaltung von Teilfunktionen vorstellbar, ohne dass damit in der Eigen- oder Fremdwahrnehmung die Einschätzung einherginge, der Wohngebrauch werde durch solche Verhaltensweisen beendet. Davon ausgehend sieht der Senat keine hinreichende Grundlage, die Aussage, der Leistungsberechtigte bewohne eine Wohnung (= es bestehe ein Unterkunftsbedarf) bzw er tue dies nicht, von einem überwiegenden oder anderweitig als Quote bestimmten Umfang des Aufenthalts oder der Nutzung abhängig zu machen. Dies bedeutet nicht, dass der Umstand, dass eine steuerfinanzierte Leistung in Anspruch genommen wird, ohne Bedeutung bleibt. Dem Bemittelten steht es frei, das Innehaben einer Wohnung (oder mehrerer Wohnungen) von der Nutzung derselben zu entkoppeln und die Deckung seines Wohnbedarfs beliebig aufzuspalten. Im Rahmen des § 22 SGB II werden dagegen immer nur die tatsächlich anfallenden Aufwendungen (angemessenen Umfangs) für eine Wohnung (zur Abspaltung der Funktion Aufbewahrung von Hab und Gut vgl BSG Urteil vom 16. Dezember 2008 aaO) gedeckt, sofern sie durch das Objekt verursacht werden, das inne zu haben den Unterkunftsbedarfs befriedigt (dies aber – wie oben dargelegt –, ohne dass eine intensive Nutzung des Objekts Voraussetzung wäre). Dies bedeutet zunächst, dass für eine nur teilweise benutzte Wohnung dann kein einen Unterkunftsbedarf berücksichtigender Leistungsanspruch entstehen kann, wenn der Bedarf anderweitig gedeckt ist, der Leistungsberechtigte etwa tatsächlich (kostenfrei) bei Familienangehörigen oder dauerhaft in einer Zweitunterkunft (zB. einer Laube) wohnt. Derartige Verhältnisse stellen nach der dargestellten Sichtweise eine den Bedarf i.S.v. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II deckende Unterkunft aber nur dann dar, wenn ihr Potential diesem Bedarf entspricht, d.h. wenn sie den Aufbau oder Erhalt einer Privatsphäre ermöglicht, selbstbestimmtes Wohnen gewährleistet und faktisch und/oder rechtlich gesichert ist.

(Hervorhebungen durch RA Genge)

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.03.2012, L 10 AS 123/12 B ER. Hier geht es zum vollständigen Wortlaut der Entscheidung.