EU-Bürger, die in Deutschland wohnen und arbeiten, deren Kinder aber im EU-Ausland beim getrennt lebenden anderen Elternteil wohnen, erhalten häufig kein Kindergeld, weil die Familienkasse den Antrag unter Verweis auf einen möglichen Anspruch im Ausland ablehnt.
Der Bundesfinanzhof hat kürzlich dem Europäischen Gerichtshof durch Beschluss vom 8. Mai 2014, Az. III R 17/13, einen derartigen Fall zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Der Sachverhalt: Der in Deutschland wohnende Kläger ist von seiner früheren Ehefrau, die zusammen mit dem gemeinsamen Kind in Polen lebt, geschieden. Seine Ehefrau war in Polen erwerbstätig, hatte jedoch wegen der nach polnischem Recht bestehenden Einkommensgrenze keinen Anspruch auf polnische Familienleistungen. Der Kläger beantragte in Deutschland Kindergeld für das in Polen lebende Kind. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil sie der Ansicht war, dass die Kindsmutter anspruchsberechtigt sei.
Da Kindergeld zum Steuerrecht gehört, war nach erfolglosem Einspruch die Klage vor dem Finanzgericht zu erheben.
Das Finanzgericht (FG) gab dem Kläger Recht und verpflichtete die Familienkasse zur Kindergeldzahlung. Es war der Ansicht, die Kindergeldberechtigung des Klägers ergebe sich aus deutschem Recht. Die ab Mai 2010 geltende EU-Verordnung Nr. 883/2004, durch welche die Systeme der sozialen Sicherheit koordiniert werden sollen, sowie die dazu ergangene Durchführungsverordnung Nr. 987/2009 begründen nach Ansicht des FG keinen Kindergeldanspruch der in Polen lebenden Mutter. Das FG setzte sich in seiner Entscheidung mit Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 auseinander. Die Vorschrift fingiert, dass „alle beteiligten Personen“ in dem Land leben, in dem der Anspruch auf Kindergeld erhoben wird. Wäre zu unterstellen, dass die vom Kläger geschiedene Kindsmutter mit dem gemeinsamen Kind in einer eigenen Wohnung in Deutschland lebt, so stünde ihr das Kindergeld zu, weil nach deutschem Recht bei getrennt lebenden Eltern derjenige Elternteil kindergeldberechtigt ist, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Das FG war jedoch der Ansicht, Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 lasse den Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach deutschem Recht nicht entfallen. Die im Ausland lebende Mutter sei daher nicht Anspruchsberechtigte im Sinne des §§ 62 ff. EStG. Es vertrat damit die gleiche Rechtsmeinung wie die überwiegende Mehrzahl der deutschen Finanzgerichte.
Im anschließenden Revisionsverfahren hat der III. Senat des BFH das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Beantwortung der Frage gebeten, ob die in Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 enthaltene Fiktion des gemeinsamen Wohnlandes dazu führt, dass das in Deutschland vorgesehene Kindergeld an den im Ausland getrennt lebenden Elternteil, bei dem das gemeinsame Kind wohnt, zu zahlen ist. Weiterhin hat er angefragt, ob für den Fall, dass der im Ausland lebende Elternteil nach Art. 60 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 kindergeldberechtigt sein sollte, der im Inland lebende Elternteil dann doch anspruchsberechtigt ist, wenn der andere Elternteil keinen Antrag auf Kindergeld gestellt hat, und nach welchem Zeitraum von einer unterbliebenen Antragstellung auszugehen wäre.
BFH, Beschluss vom 8.5.2014, III R 17/13
Es ist also zu empfehlen, weiterhin Anträge auf Kindergeld zu stellen und bei einer Ablehnng fristwahrend Einspruch zu erheben. Das Einspruchsverfahren kann dann ruhend gestellt werden, bis der EuGH über die Rechtsfragen entscheidet.