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Kindergeld für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 05.05.2015 den Zugang zu Kindergeld für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erleichtert. Die Regelung im Bundeskindergeldgesetz, wonach die Zahlung von Kindergeld an Kinder, die ohne Eltern schon lange in Deutschland leben, weil sie nicht abgeschoben werden können und deshalb über einen entsprechenden Aufenthaltstitel verfügen, von einer Erwerbstätigkeit abhängig gemacht wird, ist nach Ansicht des höchsten deutschen Sozialgerichts verfassungswidrig.

Das betroffene Kind war mit zwei Jahren mit seiner später verstorbenen Mutter nach Deutschland eingereist und lebt seither hier. 2005 erhielt es eine Aufenthaltserlaubnis ohne die Gestattung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz. Die Stadt Bonn als Träger der Heimunterbringung hatte bei der Bundesagentur für Arbeit ‑ Familienkasse ‑ Kindergeld beantragt, um damit einen Teil der Kosten für die Heimunterbringung abzudecken. Die Familienkasse lehnte ab, wurde aber vom Sozialgericht verurteilt, Kindergeld zu bewilligen. Das Landessozialgericht NRW hatte das erstinstanzliche Urteil dagegen unter Verweis auf den Wortlaut des Bundeskindergeldgesetzes aufgehoben. Es verlange auch in solchen Fällen einen Aufenthaltstitel mit einer Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit sowie eine tatsächliche Erwerbstätigkeit beziehungsweise den Bezug von Arbeitslosengeld. Das Bundessozialgericht hat wiederum der klagenden Stadt (und indirekt dem Kind) Recht gegeben.

Das Kind konnte die gesetzlichen Voraussetzungen schon deshalb nicht vollständig erfüllen, weil es als Kind zunächst keiner Erwerbstätigkeit nachgehen durfte und später als Jugendlicher seinen Schulbesuch in Deutschland fortgesetzt hat. Das Bundessozialgericht hat daher entschieden, das Bundeskindergeldgesetz in Bezug auf das Erfordernis einer Erwerbstätigkeit verfassungskonform einzuschränken. Denn ein Gesetz darf nichts verlangen, was rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. Kinderarbeit ist in Deutschland im Grundsatz gesetzlich verboten. Elternlosen beziehungsweise unbegleiteten ausländischen Kindern darf deshalb Kindergeld für sich selbst nicht allein mit der Begründung versagt werden, sie seien im Anspruchszeitraum nicht erwerbstätig (gewesen). Ein solches Kind kann vielmehr Kindergeld für sich selbst verlangen, wenn es die geforderten drei Jahre Voraufenthalt in Deutschland sowie eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz aufweisen kann, solange es aufgrund seines geringen Alters ohnehin nicht erwerbstätig sein dürfte oder ihn danach sein Schulbesuch an einer Erwerbstätigkeit hindert.

Das Bundessozialgericht geht offenbar davon aus, dass es sich bei der Regelung um ein Versehen des Gesetzgebers handelt, der diese besondere Konstellation elternloser beziehungsweise unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher übersehen und deshalb nicht geregelt habe.

BSG, Urteil vom 05.05.2015, B 10 KG 1/14 R