Bei der Übernahme von Beiträgen für die private Krankenversicherung bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII besteht seit dem 01.01.2009 eine Deckungslücke. Privatversicherte werden bei Beginn des Leistungsbezuges nicht mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversichert. Eine freiwillige Mitgliedschaft in GKV ist in aller Regel nicht möglich, so dass es zu dem Verbleib in der privaten Krankenversicherung keine Alternative gibt.
Auch beim günstigsten Tarif ohne Selbstbeteiligung ( idR der Basistarif) und nach der gesetzlich vorgeschriebenen Halbierung des monatlichen Beitrages bei Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII muss der Versicherte immer noch etwa € 280,00 im Monat bezahlen.
Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 5-6 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) muss das Jobcenter / ARGE einen Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen zahlen. Hierbei gibt es bei privat Versicherten zwei verschiedene Fallarten:
A. Bei Aufstockern (z.B. Selbständige), die nur wegen der KV-Beiträge hilfebedürftig werden, wird der volle, also der tatsächliche Beitrag als Zuschuss gezahlt.
B. Wenn aber so oder so ein Anspruch auf Leistungen besteht, zahlt das Jobcenter / ARGE nur einen pauschalen Betrag, der sich an den Zuschüssen für Mitglieder in der GKV bemisst, also derzeit etwa € 130,00.
Die 2. Variante kommt sehr viel häufiger vor. Wer also € 280,00 an seine private Krankenversicherung zahlen muss, müsste in dem Fall B neben den € 130,- Zuschuss noch rund € 150,- aus eigenen MItteln zahlen, um die Deckungslücke zu schließen. Damit müssten etwa 40% der Regelleistung, also des vom Gesetzgeber definierten sog. sozio-kulturellen Existenzminimums, für die Krankenversicherung verwendet werden, obwohl diese Kosten bei der Berechnung der Regelleistung gar nicht berücksichtigt werden.
Weil in diesen Fällen schnell große Beitragsrückstände bei der PKV auflaufen und daher Arztrechnungen nicht übernommen werden, Zwangsvollstreckungen eingeleitet werden oder gar das Ruhendstellen des Versicherungsschutzes droht, haben viele Versicherte bei den Sozialgerichten um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Die Sozialgerichte haben hier sehr unterschiedlich entschieden, in der Mehrzahl aber die Eilanträge zurückgewiesen und auf die Notwendigkeit der Klärung im normalen Klagewege verwiesen.
Es sind bereits zahlreiche Gerichtsverfahren in dieser Frage anhängig, darunter zwei Verfahren beim Bundessozialgericht, bei denen die Kläger in den Vorinstanzen erfolgreich waren ( SG Stuttgart, Urteil vom 14. Januar 2010 – S 9 AS 5449/09 -, Sprungrevision anhängig beim BSG – B 14 AS 36/10 R – und LSG für das Saarland, Urteil vom 13. April 2010 – L 9 AS 15/09 -, Revision anhängig beim BSG – B 4 AS 108/10 R). Das Thema hat auch in der Presse Beachtung gefunden, sie diesen und diesen aktuelleren Artikel.
Auch bei Leistungen nach dem SGB XII besteht ein entsprechender Anspruch, vgl. SG Mannheim, Urteil vom 12.07.2010 – S 9 SO 1354/10.
Es war vielfach erwartet worden, dass der Gesetzgeber bei der bis Ende 2010 anstehenden SGB II – Reform, die auf Grund der viel diskutierten Rechtsprechung des Bundeverfassungsgerichts vom 09.02.2010 erforderlich ist, auch diese offensichtliche Gesetzeslücke schließt. Die vor kurzem bekannt gewordenen Gesetzesentwürfe der Bundesregierung enthalten aber wider Erwarten keine Regelung zu dieser Frage. Nach jüngeren Presseberichten, siehe oben, gibt es im zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales vielmehr Überlegungen, zur Vermeidung von Kosten für die öffentliche Hand stattdessen zu Lasten der privaten Krankenversicherungen und der Versicherten Änderungen im SGB V zur Krankenversicherung und Tarifstruktur vorzunehmen. Es bleibt daher nach wie vor nur der Weg über die Gerichte, um Abhilfe für diese Notlage zu suchen. Die Erfolgsaussichten sind als günstig zu bewerten.
Wer von dieser Situation betroffen ist, sollte immer Widerspruch einlegen und auch Klage erheben, wenn ein ablehnender Widerspruchsbescheid eingeht. Wichtig ist dabei, dies in jedem neuen Bewilligungszeitraum zu wiederholen. Wenn ein Bewilligungsbescheid schon bestandskräftig geworden ist, weil die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, dann empfiehlt es sich, einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen.
Wegen der Besonderheiten jedes Einzelfalles sollte aber immer Rat bei einer Beratungsstelle oder einem Rechtsanwalt eingeholt werden.
Denn wenn das Bundessozialgericht im Sinne der Kläger entscheidet, dann müssen die Jobcenter / ARGEn bei offenen Verfahren die Fehlbeträge auch für die Vergangenheit übernehmen.